MDR-Update:
Die neuen Übergangsvorschriften

Plötzlich geht alles ganz schnell, zumindest für EU-Verhältnisse.

MDR – Was ist denn hier passiert?

Erst am 6. Januar hatte die EU-Kommission den Entwurf zur Änderung der Medical Device Regulation (MDR) publiziert, und bereits am 16. Februar hat das Europäische Parlament der Anpassung mit mehr als 95 % der abgegebenen Stimmen zugestimmt. Am 7. März hat der Europäische Rat ebenfalls genickt. Am 15. März wurde der Vorschlag vom EU-Parlament und vom Rat auch förmlich angenommen. Sofort danach erfolgte am 20. März die Veröffentlichung im Amtsblatt der EU. Die neuen Vorschriften sind damit unmittelbar in Kraft getreten.

Dramatische Erkenntnisse in Hinblick auf die MDR

Warum diese plötzliche Eile? Auch in der EU sind (spät, aber hoffentlich nicht zu spät) die vielen warnenden Stimmen aus der Industrie, von Ärzten, von Seiten der benannten Stellen, angekommen, die bereits seit Jahren auf die schwerwiegenden Folgen der MDR sowohl für individuelle Patienten als auch für die Medizinprodukteindustrie in Europa hingewiesen haben. Die EU gesteht selbst ein, dass sie jetzt handeln musste, um „die unmittelbare Gefahr eines Mangels an Medizinprodukten und die damit verbundene Gefahr einer Krise im Hinblick auf die Gesundheit der Bevölkerung“ abzuwenden. Um es klar zu sagen: einer Krise, die sie selbst 2017 mit der Verabschiedung der MDR herbeigeführt hat.

MDR-Update – Das ist wichtig

Was ändert sich nun konkret? Zum einen, und das ist aus vielerlei Gründen zu begrüßen, entfällt die Abverkaufsregel ersatzlos. War es doch ein ökonomischer und ökologischer Unsinn, dass verboten worden war, bewährte, fehlerfreie und wirksame Medizinprodukte ab dem 27. Mai 2025 nicht mehr weiterverkaufen zu dürfen, wenn sie „nur“ die Anforderungen der MDD, also der Medizinprodukte-Richtlinie, und nicht der MDR erfüllten.

Zum anderen verschieben sich die Übergangsfristen der Medical Device Regulation, in denen eine Umstellung von der MDD auf die MDR erfolgen muss, deutlich in die Zukunft, abhängig vom Risiko der jeweiligen Produkte:

  • für implantierbare Sonderanfertigungen der Risikoklasse III auf den 26. Mai 2026

  • für Produkte der Klasse III und implantierbare Produkte der Klasse IIb (mit Ausnahme von z.B. Zahnfüllungen, Zahnspangen, Zahnkronen, Verbindungsstücken) auf den 31. Dezember 2027

  • für alle anderen IIb-Produkte, für IIa-Produkte und I*-Produkte auf den 31. Dezember 2028.

Achtung, cool Abwarten geht gar nicht!

Aber auch weiterhin heißt es aufzupassen – die Verlängerung der Übergangsfristen gilt nur für Produkte, bei denen alle folgenden Bedingungen kumulativ eingehalten werden:

  • die Produkte müssen weiterhin die Anforderungen der MDD erfüllen

  • es dürfen keine wesentlichen Änderungen des Designs und der Zweckbestimmung erfolgen (dies kann von den benannten Stellen sehr eng ausgelegt werden, sodass Anpassungen und Weiterentwicklungen bestehender Produkte oft nur sehr eingeschränkt möglich sind)

  • die Produkte stellen kein inakzeptables Risiko für die Gesundheit und Sicherheit von Patienten, Anwendern oder Dritten dar

  • bis zum 26. Mai 2024 muss der Hersteller ein vollständiges Qualitätsmanagementsystem entsprechend den Anforderungen der MDR eingeführt und umgesetzt haben (und damit praktisch alle wesentlichen Punkte der MDR erfüllen)

  • bis zum 26. Mai 2026 muss der Hersteller einen Antrag auf Zertifizierung bei einer benannten Stelle eingereicht und bis zum 26. September 2026 einen Zertifizierungsvertrag abgeschlossen haben (das kann bei den weiterhin bestehenden Kapazitätsengpässen der benannten Stellen eine Herausforderung werden).


Es kann sich also kein Unternehmen zurücklehnen mit der Aussage „jetzt haben wir zwei, drei oder sogar vier Jahre gewonnen, also schalten wir erst mal einen Gang zurück und gehen das Ganze in aller Ruhe an ...“.

Und so vieles gilt auf Grundlage der MDR bereits jetzt …

Was uns immer mal wieder aufgefallen ist: Manche Unternehmen wissen nicht, dass einige Anforderungen der Medizinprodukte-Verordnung unabhängig von den Übergangsvorschriften bereits seit Mai 2021 gelten und umgesetzt sein müssen: diejenigen zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen, zur Marktüberwachung, zur Vigilanz (also zum Meldesystem gegenüber den Behörden), zur Registrierung von Wirtschaftsakteuren und Produkten. Wer hier noch Nachholbedarf hat, sollte schnellstmöglich handeln.

Die Grundprobleme – die die Umsetzung der MDR mit sich bringt – bleiben

Bei aller Freude über die Verschiebung des Gültigkeitsbeginns: Diese verschafft kurzzeitig Raum zum Luftholen, mehr nicht. Die strukturellen Probleme der MDR bleiben weiter bestehen.

Dazu gehört vor allem der riesige Aufwand, bewährte Produkte, die zum Teil bereits Jahrzehnte ohne Probleme auf dem Markt sind, nochmals (diesmal nach den Regeln der MDR) komplett (re-) zertifizieren zu lassen.

Das kostet Geld – sehr viel Geld – und bindet Personal, das für die Entwicklung von neuen Produkten fehlt. Hersteller bereinigen aus diesem Grund ihre Produktportfolios, und Produkte verschwinden unwiederbringlich vom Markt. Erstzulassungen erfolgen nicht mehr in Europa, sondern in anderen Ländern, in denen weniger prohibitive Bedingungen herrschen. Die Produktion wandert mit ab.

Der Medizinproduktestandort Europa katapultiert sich damit selbst ins Aus.

Mit der MDR von anderen lernen? Es gibt positive Beispiele …

Vielleicht lernt man ja bei der EU von der amerikanischen FDA, die jahrelang als Meister der Bürokratie schlechthin galt: Diese verfolgt seit einiger Zeit den „least burdensome approach“ in Bezug auf Medizinprodukte und favorisiert damit unter Beibehaltung hoher Sicherheitsstandards für Medizinprodukte eine deutliche Flexibilisierung des Zulassungsprozesses für die Hersteller. Das wäre doch auch eine gute Idee für Europa …

Update: Zur Nachverfolgung der bisherigen Ereignisse empfehlen wir Ihnen unseren ersten Beitrag zum Thema MDR www.caddent.de/de/blog/medizinprodukte-verordnung


Die Inhalte dieses Blogbeitrags wurden von uns mit größter Sorgfalt erstellt. Für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Inhalte können wir jedoch keine Gewähr übernehmen. Die Haftung für Schäden, die durch die Nutzung der zur Verfügung gestellten Daten oder durch die Nutzung fehlerhafter oder unvollständiger Informationen verursacht wurde, wird ausgeschlossen, soweit es sich nicht nachweislich um vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschinformation durch uns handelt.